Muss ich meine Mutter pflegen?
„Ich habe mich doch auch immer um dich gekümmert“ oder „Ich habe meine Mutter damals auch gepflegt“. Sätze wie diese sind bestimmt schon einigen von uns begegnet.
Häufig stellt sich dann die Frage: Muss man seinen Vater oder seine Mutter pflegen? Im Folgenden ein paar Gedanken zu dieser Fragestellung:
Warum wollen viele Eltern, dass sie von ihren Angehörigen und nicht von externen
24-Stunden-Betreuer:innen gepflegt werden? Viele sorgen sich, dass sie mit den unbekannten Personen nicht zurechtkommen werden, vielleicht Sprachbarrieren bestehen oder schlichtweg das Vertrauen fehlt. Die eigenen Angehörigen kennt man hingegen, da scheint alles leichter zu sein; aber ist dem wirklich immer so?
Wer plant, eine/n Angehörige/n zu pflegen, dem oder der stellt sich unweigerlich zuerst die Frage, ob überhaupt ausreichend Kapazitäten vorhanden sind. Dabei kommt es aber nicht nur auf die zeitlichen Ressourcen an, sondern vor allem auch auf die emotionale Komponente. Das Übernehmen der Pflege von Angehörigen bedeutet nämlich ebenso, umfassende Verantwortung schultern zu müssen:
Stellen wir uns nur folgendes Szenario vor: Die Mutter stürzt im Garten, bleibt länger unbemerkt liegen, man kommt Stunden später vorbei und kann erst dann helfen. Das schlechte Gewissen ist vorprogrammiert. In weiterer Folge denkt man immer nur darüber nach was alles schief gehen könnte, während man nicht bei dem/r Angehörigen ist. Daraus kann eine ständige Angst und Sorge entstehen, die auch in Zeiten, wo keine Pflege vorzunehmen ist, zu enormem Druck führt. Auch die bestehende Eltern-Kind-Beziehung kann eine Herausforderung darstellen: So kann es schwer sein, Bitten der pflegebedürftigen Person abzulehnen, weil man das schon immer auf eine gewisse Art gehandhabt hat. Eine externe Person hat es hier aufgrund der Distanz zum Teil deutlich leichter.
Ist es aber egoistisch, den Wunsch der Eltern nach Pflege abzulehnen? Ich denke nicht: Ist man selbst zeitlich, physisch und/oder psychisch überfordert mit der Pflege und kostet diese deshalb sehr viel Energie, sodass man nunmehr genervt, angestrengt und unausgeglichen bei der pflegebedürftigen Person ist, profitiert diese davon keineswegs. Soll also eine 24-Stunden-Betreuung installiert werden, muss der Fokus auf der richtigen Kommunikation des Vorhabens an den/die Angehörige/n liegen:
Diese soll nicht alleingelassen bzw. „abgeschoben“ werden, denn man kommt selbstverständlich weiterhin zu Besuch. Lediglich die Verantwortung der Pflege soll eine andere Person übernehmen, die dafür aufgrund ihrer Ausbildung wohl auch besser geeignet ist. Sodann ist es leichter möglich, den pflegebedürftigen Angehörigen auch wirklich die Liebe und Wertschätzung entgegenzubringen, die diese auch verdienen.