Krisen und Ressourcen
Eine Krankenschwester erzählt am Telefon ein wenig von ihrer Arbeit auf der Tumorambulanz – von tapferen Menschen mit zerstörten Gesichtern.
In mir läuft das Kopfkino: Oh mein Gott! Wie würde ich reagieren? Plötzlich verstehe ich alle Menschen, die (sich) in so einer Situation aufgeben wollen.
Dann fällt mit Christoph ein, der an ALS – einer unheilbaren Erkrankung des Nervensystems – gelitten hat, und vor einigen Jahren verstorben ist. Ein Held im Alltag. Irgendwie hat er es geschafft, für seine Frau und seine Kinder in all dem Schweren da zu sein. Helden des Alltags.
Es besteht die Gefahr, dass ich mich runterziehen lasse von meinen Gedanken, obwohl es mir doch im Augenblick wirklich gut geht.
Wie damit umgehen? Was trägt in Notzeiten?
Für Hans war es die klare Struktur. Früh hat er seine Frau an den Krebs verloren. Das jüngste seiner vier Kinder war gerade einmal neun Jahre alt. Er hat sich von seiner Frau vieles im Haushalt abgeschaut und übernommen; hat einen Kochkurs gemacht, die Arbeitszeiten ein wenig anders gelagert. Und, er hat immer klare Zeiten eingehalten, auch als er dann später in Pension war. Aufstehen um sieben, Frühstück, Haushalt, Gartenarbeit, Mittagessen um 13 Uhr. Freunde treffen oder anrufen. Abendessen spätestens um 18 Uhr, um 22 Uhr ins Bett. Am Sonntag zur Kirche. Die Strukturen haben ihm Halt gegeben. Auch im hohen Alter war es ihm wichtig, sich nützlich zu machen, und er hat gerne für seine Tochter und ihre Familie das Mittagessen gekocht oder zumindest vorbereitet, auch wenn er an seinen letzten Tagen fast den ganzen Vormittag fürs Kartoffelschälen gebraucht hat, und immer wieder dabei eingenickt ist.