In jeder Beziehung gibt es Konflikte
Manche lassen sich schnell lösen, manche eskalieren und enden in einer gewaltvollen Auseinandersetzung. Etwas, dass ich in meinem Leben über Konflikte – oder viel wichtiger die Beziehungen dahinter – gelernt habe, ist die Tatsache, dass es vielen Menschen schwerfällt, ihre eigenen Bedürfnisse auszudrücken. Sei es durch mein Psychologiestudium oder die Erfahrungen, die ich selbst im Laufe der letzten Jahre machen durfte (wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem) – es fällt auf, wie oft wir vergessen, klar auszudrücken, was wir eigentlich wollen und manchmal, da wissen wir das selbst gar nicht so genau.
Viel zu oft gehen wir davon aus, unser Gegenüber wisse genau, was wir von ihm wollen und dann unterstellen wir diesem Menschen, dass er einem erst recht Dinge zu Fleiß tut. Wir denken, unser Gegenüber müsse doch dieselbe Ansicht haben wie wir. Tja- das ist leider ein Fehlschluss. Jeder Mensch macht in seinem Leben eine Vielzahl individueller Erfahrungen, die einem zu dem oder der machen, der/die man ist. Die wichtigste Erkenntnis hieraus ist, dass das Gegenüber also niemals genau dieselbe Ansicht haben kann wie man selbst. Und aus dieser Erkenntnis wird klar, dass man dem Gegenüber möglichst genau sagen muss, was man eigentlich will.
Im Zuge der gewaltfreien Kommunikation habe ich eine Formel kennengelernt, die man anwenden kann, um einen Konflikt möglichst zu vermeiden bzw. gut zu überstehen. Ich muss mich auch selbst immer wieder erinnern, diese anzuwenden und mein Gegenüber zu bitten, diese in der gemeinsamen Kommunikation zu nutzen. S-G-B steht für Situation-Gefühl-Bedürfnis.
Ein Beispiel: Angenommen, ich komme in meiner WG nach einem anstrengenden Tag auf der Uni nach Hause. Ich bin hungrig und möchte mir noch schnell was kochen, bevor es mit dem Lernen zuhause weitergeht. Ich komme in die Küche, mein Mitbewohner hat sein Geschirr überall in der Küche stehen lassen, es schaut so richtig aus. Ich finde ihn im Wohnzimmer auf der Couch und sage nur genervt „Räum gefälligst deine Sachen zusammen, die Küche schaut aus wie der reinste Saustall!“. Mein Mitbewohner schaut mich verdutzt an und wundert sich, warum ich gleich so laut werde, und reagiert ebenso mit Unverständnis. Er hat ja keine Ahnung, dass ich einen anstrengenden Tag hinter mir habe!
Eine Alternative dafür, die natürlich ein gesundes Maß an Selbstreflexion und einen kühlen Kopf erfordert wäre:
„Hey, in der Küche steht sehr viel Geschirr von dir herum und die Arbeitsfläche ist voll dreckig. (neutrale Beschreibung der Situation). Ich hatte heute einen echt anstrengenden Tag auf der Uni, bin voll hungrig und wollte mir gerade etwas kochen. Wenn ich dann sehe, dass ich als erstes die Küche zusammenräumen muss, bevor ich selbst kochen kann, macht mich das wütend und ich habe grad keine Energie dafür (Darlegung der eigene Gefühlswelt). Ich würde mir wünschen, dass du deine Sachen abwäschst und nach dem Kochen überall drüber wischst. (Klare Bedürfnis-Äußerung)“
So erlaube ich dem Gegenüber, in mich hineinzusehen und ermögliche ihm, nachvollziehen zu können, warum ich jetzt wie fühle und reagiere.
Natürlich kann man damit nicht jeden Konflikt beiseitelegen, aber es verhindert, dass beide Seiten aneinander vorbeireden, ohne eigentlich zu verstehen, warum der jeweils andere so handelt und fühlt. Ich bin davon überzeugt, dass man viele zwischenmenschliche Konflikte gut lösen kann, wenn man versucht seine Bedürfnisse für den anderen verstehbar zu machen.