Was kann man tun, wenn jemand nicht mehr leben will?
Ich erfahre von einem Freund, dass er in einer krisenhaften Situation ist. Wie ernst die Lage ist, kann ich auf den ersten Blick, nach dem ersten Gespräch, noch nicht sagen. Was kann ich also tun, wenn sich die Situation verschlimmert, die Begriffe dunkler und die Augen trauriger werden?
Vieles kann ich tun, ob es denn hilfreich ist oder nicht, sei dahingestellt.
Ich nehme ihn in jedem Fall ernst. Suizidabsichten sind häufig ein Notsignal und Zeichen starken Leidensdruck. Daher spreche ich ihn an und interessiere mich für ihn mit all seinen Gefühlen und Problemen, um ihm Halt zu geben. Dann versuche ich, ihn an seine Ressourcen zu erinnern und gemeinsam danach suchen, was dennoch schön ist. Ich lasse ihn einfach reden, falls er das möchte und kann und ich es aushalte, „nur“ zuzuhören. Vor allem ist es wichtig, überhaupt etwas zu tun. Genau hinzusehen, die Person ernst zu nehmen, hin zu fühlen und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Auch suche ich mir selbst Hilfe: Die Auseinandersetzung mit suizidalen Menschen kann sehr belastend sein. Wir werden dabei mit unserer Verletzlich- und Vergänglichkeit konfrontiert und können uns plötzlich selbst hoffnungslos fühlen.
Welche Wörter bleiben ungesagt, welche Blicke werden nicht ausgetauscht, warum kommt die Person damit ausgerechnet zu mir? Der Inhalt ist schwer, muss aber ausgehalten werden.
Wie das gelingen kann? Vielleicht, in dem ich nicht nur mir selbst, sondern auch dem Gegenüber sage:
„Ich glaube dir, dass du möchtest, dass deine Belastungen aufhören. Ich wünsche mir aber trotzdem, dass es einen anderen Weg gibt, mit dem du weiterleben kannst. Denn sonst hören nicht nur die schlechten, sondern auch die guten Dinge auf“.