Wem ich dankbar bin …
Seit einigen Wochen ist das Leben bei uns in Österreich und in der Welt anders. Auch wenn wir dabei sind, den Weg in eine neue Normalität zu finden, aus der Gewissheit der alltäglichen Routine wurde zuerst für die meisten von uns ein Stopp, ein Rückzug aus der Öffentlichkeit und ein Innehalten aus dem Gewohnten.
Aber in all diesen aus der Gewohnheit herausgefallenen Lebensmöglichkeiten wurde plötzlich sichtbar, was wir schon längst vergessen haben: Wer oder was ist wirklich wichtig, was brauchen wir und worauf können wir verzichten?
Plötzlich waren die LebensmittelverkäuferInnen und die RegalbetreuerInnen – ein Berufsstand, der gesellschaftlich nicht sehr anerkannt war, zur Systemerhaltung dringend benötigt und hoch bedankt. Dankbarkeit stellte sich auch ein für all die Menschen, die nicht nur in dieser pandemischen Zeit dafür sorgen, dass alles sorgfältig gereinigt wird. Das Reinigungspersonal wird sonst nicht vor den Vorhang geholt, sorgt die niedrige Bezahlung doch dafür, dass nur wenige diese systemrelevante Arbeit verrichten möchten. Von den zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen wissen wir, dass auch die Altenpflege so organisiert ist, dass den Menschen, die sich auf diese Rund- um-die-Uhr-Dienste bei Pflegebedürftigen zu Hause spezialisiert haben nach Abzug aller Vermittlungsprovisionen und ähnlichem nur mehr wenig im Portemonnaie bleibt. Sie sind mehrere Wochen rund um die Uhr für alle Betreuungsbelange ihrer Schützlinge da und jetzt wird ihre Wichtigkeit noch mehr sichtbar.
Natürlich gibt es noch viele Berufsgruppen, denen wir es zu verdanken haben, dass wir diese Wochen so überstanden haben: die Berufsfahrer, das medizinische Personal, all die Bürokräfte, die zu Hause oder im Homeoffice ihre Arbeit zum Teil unter erschwerten Bedingungen erledigt haben, die vielen Menschen auf den Baustellen, die so systemrelevant waren, dass es keine Pause geben konnte und nicht zu vergessen die vielen Eltern, die plötzlich ganz allein für ihre Kinder zuständig waren, für den Lernfortschritt, das Spielen, die Aufsicht und als Ersatz für die fehlenden sozialen Beziehungen Plötzlich kam eine Dankbarkeit dafür auf, dass es Schulen und Lehrer gibt, dass es Klassen gibt, dass es Natur gibt, die man auch betreten darf.
Vielleicht hat das unseren Blick geschärft, unseren Blick für das Wesentliche im Leben. Vielleicht können wir uns vornehmen, dass wir in Zukunft mehr auf das achten, was uns geschenkt ist und welche Möglichkeiten wir haben. Um das auch in Zeiten nach der Krise bewusst zu halten, könnten wir uns jeden Tag fragen, wem kann ich heute dankbar sein?