Der Traum vom Aussteiger-Leben in Australien
„Am liebsten würde ich meine Sachen packen und ein neues Leben beginnen“, erzählt mir die Frau Anfang Dreißig am anderen Ende der Leitung. Probleme in der Partnerschaft und Unzufriedenheit im Job machen ihr seit Monaten zu schaffen. Manchmal möchte sie einfach alles hinschmeißen, ihren Job kündigen, ihre Koffer packen und von neuem beginnen, in die ferne Welt reisen, täglich neuen Menschen begegnen, anregende Gespräche führen und abends den Sonnenuntergang über dem Meer Australiens genießen. Wenn sie auf Facebook die Profile ihrer Freunde und Freundinnen betrachtet, finden sich darunter glückliche Aussteiger, offene Weltenbummler, inspirierende Künstler, mutige Komfort-Zonen-Bezwinger und zufriedene Nomaden aller Art.
Sie hingegen sitze hier fest: in Österreich ohne Meer in Sicht, in einer festen Partnerschaft, ohne täglich neuen, spannenden Begegnungen und im Büro weit weg von der täglichen Selbstverwirklichung. Kein Wunder, dass ihr ihr Leben grau und eintönig vorkommt! Vergleiche können einen schon ganz schön runterziehen.
Diesen Traum vom Auswandern und ein neues Leben zu beginnen und das alte hinter sich zu lassen, haben wir bestimmt alle schon einmal gehabt. Aber im Endeffekt sehen wir nicht den langen Weg, der vor uns liegt, wenn wir uns entscheiden würden, diesen Traum zu verwirklichen. Immer mehr erfüllen sich diesen Traum zwar, aber dahinter steckt viel mehr als die schönen Bilder, die wir auf Facebook zu sehen bekommen. Die meisten sehen vielmehr das Endprodukt, als das große Ganze.
Setzt sie die Dinge in Relation, ist sie auf einmal ganz zufrieden mit ihrem Leben. Schließlich ist sie sehr dankbar für ihren Freund, den sie selbst so manches Mal für selbstverständlich halte. Der Job, den sie hat, mag zwar im Moment nicht ganz zufriedenstellend sein, aber ein Leben ohne ihn könnte sie sich auch nicht vorstellen. Und überhaupt würden ihr tiefe Beziehungen mit ausgewählten Personen doch viel mehr bedeuten, als in Small-Talks die Oberfläche vieler Menschen zu berühren. Würden sie 50 Stempel im Reisepass wirklich glücklicher machen? Wohl eher nicht! Und wenn, dann für sehr kurze Zeit. Für den Anfang versuche sie erstmal täglich einen neuen Tag zu beginnen, als gleich ein neues Leben.
Wir beenden das Gespräch und ich denke noch weiter nach: über die Faszination des Reisens, darüber, wie uns neue Begegnungen beflügeln und neue Tätigkeiten unseren Horizont erweitern. Aber auch darüber, wie wir Zufriedenheit bereits in sehr viel kleineren Dingen finden können. Denn Glück beginnt bekanntlich im Kopf!
Und so stelle ich mir ein paar Fragen:
- Was habe ich bereits in meinem Leben, wofür ich dankbar bin?
- Was ist das Beste, das mir heute widerfahren ist?
- Was habe ich heute gelernt, das mir den morgigen Tag erleichtern wird?
- Gibt es ein oder mehrere spezielle Dinge in meinem Beruf, die ich liebe/genieße?
- Wer hat mir geholfen, mich auf dem Weg zu begleiten, zu der Person zu werden, die ich heute bin? Wofür möchte ich ihnen danken?
- Welche Situationen in meinem Leben gab es, die anders ausgingen, als ich sie mir erhofft hatte, jedoch dann zu meinem Besten waren?