Selbstfürsorge
„Wissen Sie, ich habe endgültig genug von meinem Mann. All die Jahre war ich seine Köchin, Putzfrau und Unterhaltungsdame, nie war er für mich da – selbst jetzt nicht, wo ich erkrankt bin. Nun tue ich das, was mir gut tut.“
Wie bitter, denke ich mir, denn die Anruferin ist knapp 80 Jahre alt. Ich stelle es mir schlimm vor, diese Erkenntnis in ihrem hohen Alter zu erlangen zu müssen. All die vergeudeten Jahre, sie hätte es besser haben können.
Die Anruferin jedoch klingt gelöst, zuversichtlich und sehr entschlossen. Endlich tue sie, was für sie richtig und wichtig ist, achte ihre Bedürfnisse. Das alleine gibt ihr Kraft und scheint Entschädigung für das Leid der vergangenen Jahre zu sein.
Ein paar Tage später benötige ich kurzfristig einen Arzt-Termin. Ich greife zum Hörer, wohl wissend, dass die Ärztin Termine frühestens in zwei Monaten vergibt. Sofort macht sich schlechtes Gewissen breit als die Sprechstundenhilfe meint, dass ein Termin in den nächsten Tagen schwierig werden könnte. „Es ist wirklich nicht so akut, dann warte ich einfach noch“, höre ich mich sagen und muss dabei innerlich den Kopf schütteln. Die Dame am anderen Ende der Leitung ist wohl ähnlicher Meinung. Freundlich und bestimmt erklärt sie mir: „Es ist Ihre Gesundheit, Sie sollten auf sich schauen! Wir finden schon einen Termin für Sie!“. Mit Erstaunen bemerke ich, wie wohltuend und wertvoll dieser Hinweis war. Stimmt, ich muss wirklich besser auf mich achten!
Wieder zurück in der TelefonSeelsorge: Eine Anruferin braucht Unterstützung auf ihrem Weg herauszufinden, was denn eigentlich ihre Bedürfnisse sind. Ihre Akkus seien so leer, dass sie sich selbst gar nicht mehr spüre. In Familie, Freundeskreis und Beruf achte sie zuerst auf alle anderen und deren Befindlichkeiten, sie selbst vergesse sie dabei völlig. Wie sie ihre Selbstfürsorge einschätze, ist meine Frage an die Anruferin. „Miserabel“ lautet die sofortige Antwort. Und dann - nach einer kurzen Nachdenkpause: „Eigentlich erschreckend, oder?“
Selbstfürsorge gibt Kraft und hält gesund. Dazu gehört auch, sich in schwierigen Zeiten jemanden anzuvertrauen, mit seinen Sorgen und Nöten nicht alleine zu bleiben und Zeit für sich selbst zu finden.
Denn: Reden hilft und bringt neue Erkenntnisse!
Ein Anruf bei der TelefonSeelsorge oder ein Kontakt mit der Onlineberatung der TelefonSeelsorge könnte ein erster Schritt sein.
Passen Sie gut auf sich auf!