Schenk mir ein hörendes Herz
Eine biblische Geschichte im Alten Testament erzählt vom noch jungen König Salomon. Gott erscheint ihm im Traum und gewährt ihm eine Bitte.
Salomon ist noch ganz beeindruckt und voller Respekt vor seiner neuen Verantwortung und seiner Sorge, dieser Aufgabe gerecht zu werden und deshalb bittet er nicht um Reichtum und Macht, sondern sagt: Gott, schenke mir ein hörendes Herz, damit ich dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden verstehe.
Kultur des Zuhörens
Wenn jeder immer nur seine eigenen Ansichten vertritt, dann wird das Gegenüber überhört. Es bleibt kein Platz für andere Meinungen und Gedanken. Es gibt kein Verständnis für Ängste und Zweifel der Gesprächsperson.
In den Gesprächen mit den Anrufern der Telefonseelsorge bilden sich auch immer wieder politische und gesellschaftliche Verhältnisse ab. Viele erzählen von ihren Ängsten vor einer ungewissen Zukunft. Dass sie arbeitslos sind, alleinerziehend oder in Pension und nicht wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen; ob noch etwas für sie übrigbleibt, wenn so viele Fremde ins Land kommen. Sie fühlen sich vor allem ungehört, machtlos, depressiv und manchmal auch wütend. Sich aussprechen, sich ausdrücken zu können, sich den Frust und die Angst von der Seele reden zu können, ist dann erleichternd, wenn es aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer gibt. Dann treffen eigene Ängste und Zweifel auf Verständnis.
Ich frage mich, wie wir eine stärkere Kultur des Zuhörens in unserer Gesellschaft etablieren könnten. Eine Kultur, wo die Kommunikation nicht nur im Senden besteht – wie das etwa beim Posten und Twittern der Fall ist – sondern im ehrlichen Interesse für den anderen und im gegenseitigen Respekt. Ein hörendes Herz für uns alle, das wäre eine gute Sache.