Keiner wie der andere
Eine psychische Krankheit in der Familie verändert alles. Am Anfang ist man wie vor den Kopf gestoßen, sicher nur eine vorübergehende Phase, ein Spleen und dann die Diagnose. Plötzlich hat die Veränderung einen Namen, man kann sie einordnen, bei der Krankenkasse hat sie sogar eine Nummer, es gibt Literatur darüber. Therapeuten und Psychiater wissen viel darüber und haben einen Plan, wie sie bei der Behandlung vorgehen werden. Meistens mit dem Hinweis, dass die Behandlung nicht von heute auf morgen abgeschlossen sein wird.
Manche resignieren, manche brechen die Behandlung ab und für viele fängt nun die mühsame Suche nach dem richtigen Therapeuten mit dem richtigen Konzept an.
Nach jahrelanger Therapie hatte ich bei meiner Tochter das Gefühl, sie wusste selbst am allerbesten, was ihr Erleichterung verschaffte und was ihr gar nicht guttat. Oft habe ich mir gewünscht, ich hätte von Anfang an mehr Vertrauen in ihre eigene Kraft und auch in mein Gefühl gesetzt. Aber schließlich hatte ich gelernt auf sie zu hören. Ich konnte noch so viele Bücher über ihre Erkrankung lesen, irgendeine Abweichung von der Norm gab es bei ihr immer. Sie war nicht ruhig und zurückgezogen, so gar nicht wie „man“ sich bei Essstörungen verhält, erbrach auch nicht heimlich, sie erzählte über ihre Qualen im Kopf und hasste am allermeisten, wenn man sie gemeinsam mit ihrer Krankheit in eine Schublade steckte.
Diese Erfahrung hilft mir sehr bei der Arbeit in der Telefonseelsorge. Man muss nicht immer ein Spezialist für psychische Krankheiten sein, sondern es genügt ein Mensch zu sein, der zuhört und mitfühlen kann.
Oft scheint mir diese Hilfe zu wenig und dann denke ich an meine Tochter und weiß, der beste Schutz ist, zu wissen: Keiner ist wie du und so wie du bist, bist du richtig.