Stalking
Meine Freundin aus Kindheitstagen, die in eine größere Stadt gezogen war, hatte eine schwierige Beziehung zu ihrem Ehemann. Jahrelang gab es ein Auf und Ab in ihrer Ehe. Als die gemeinsame Tochter in den Kindergarten kam, entschloss sich meine Freundin zur Scheidung und bekam auch das alleinige Sorgerecht für die Tochter. Sie dachte, sie hätte ein schwieriges Kapitel beendet. Dabei fing ein neues an.
Ihr mittlerweile Ex-Ehemann begann sie zu stalken.
Er bombardierte sie mit Telefonanrufen, SMS und Emails. Er stand am Gartenzaun und an der Wohnungstür und kontrollierte ihr Kommen und Gehen. Manchmal fuhr er ihnen auch nach. Als sein andauerndes und wiederholtes Kontaktstreben keinen Erfolg hatte, versuchte er Freunde und Arbeitskollegen einzuschalten, um Druck zu machen, zum Teil auch, um meine Freundin zu diffamieren. Er war so besessen davon, „seine Familie“ wieder zurückzubekommen, dass er polizeibekannt wurde und in den Monaten seines Stalkings schließlich auch seinen Arbeitsplatz verlor.
Meine Freundin versuchte viele Strategien, um seinem Verhalten ein Ende zu setzen: Zuerst Gespräche und Zugeständnisse in Bezug auf die gemeinsame Tochter, dann beantwortete sie keine Telefongespräche, SMS und Emails mehr, ignorierte ihn, versuchte ihm klar zu machen, dass er sie in Ruhe lassen sollte. Letztlich musste sie die Polizei einschalten.
Es ging ihr in dieser Zeit sehr schlecht. Irgendwann konnte sie nicht mehr essen und schlafen. Sie hatte Angst, das Haus zu verlassen. Sie fühlte sich verfolgt und beobachtet, völlig unfrei in ihrer Lebensgestaltung. Schließlich schaffte sie sich ein neues Handy an und fand eine neue Wohnung im obersten Stockwerk eines riesigen Hauses, damit sie nicht mehr sehen musste, wie er am Gartenzaun stand. Sie suchte Hilfe und Unterstützung bei Familie und Freunden und wagte den Schritt in eine Beratungsstelle.
Später untersagte das Bezirksgericht dem Exmann, sich in der Nähe seiner Exfrau und Tochter aufzuhalten oder auf sonstige Weise einen Kontakt zu ihnen herzustellen. Das Gerichtsurteil war ein Stoppzeichen, das zu ihm durchdrang.
Erst ab diesem Zeitpunkt konnten meine Freundin und ihre Tochter langsam beginnen, wieder ein „normales“ Leben zu führen. Mit vielen Narben und kaum verheilten Wunden.