Keine Köpfe auf der Straße – Flüchtlingskinder erzählen
Es ist ein Geschenk, jungen Menschen durchs Deutschlernen Wege in unser Land und ins Leben ebnen zu dürfen.
Jeder dieser jungen Menschen hat seine eigene Geschichte, viele ein Trauma davon erlitten.
Am Anfang zählen vor allem das Wohlfühlen und die Sicherheit im Klassenraum. Gegenseitiger Respekt, behutsames miteinander umgehen, Fehler machen dürfen, und auch zu lernen, wie man lernen kann; all das prägt die Anfangszeit. Vertrauen wächst, ebenso wie die Fröhlichkeit und der Sprachschatz.
Und irgendwann wächst das Bedürfnis zu erzählen, von daheim, von der schönen Zeit im eigenen Land, und oft auch von der Flucht. Das sind berührende und zugleich erschütternde Sternstunden.
T. erzählt mit strahlenden Augen, wie schön das Leben noch vor 6 Jahren in Afghanistan für ihn war. Alle lebten zusammen in einem großen Haus, eine eigene Firma hatte die Familie, die Kinder besuchten eine Privatschule – aber dann war der Vater gefährdet! Er hatte Geschäfte mit Ausländern gemacht und wurde seither immer wieder bedroht, musste um sein Leben fürchten und flüchtete schließlich mit seiner schwangeren Frau und den beiden kleinen Kindern. Die drei größeren Buben, damals 8, 9 und 12 Jahre alt, blieben bei den Großeltern. Aber auch das wurde so gefährlich, dass ein Schulbesuch nicht mehr möglich war. So mussten sie sich zeitweise im Wald verstecken, und zwischen Onkeln und Tanten und den Großeltern pendeln.
Inzwischen versuchte der Vater von Österreich aus ein Nachkommen der Buben zu ermöglichen, was erst beim zweiten Versuch gelang.
Dann erzählt S., der als Zehnjähriger mit seinem Vater lange Strecken zu Fuß zurückgelegte hatte, von seiner Flucht aus Syrien. Er berichtet davon, wie Menschen zurückgelassen wurden von den Schleppern, die erschöpft oder verletzt waren. Sein Blick sagt, dass er weiß, dass sie es wohl nicht überleben konnten. Ein Jahr später hatte der Vater es geschafft, eine Arbeit zu bekommen, als anerkannter Flüchtling. So konnte die Mutter endlich mit seinen zwei Schwestern nachkommen, die inzwischen im Lager in der Türkei waren. Dort haben sie schon begonnen Deutsch zu lernen.
Auch Ch. erzählt von ihrem Land und von der ganzen Zerstörung; . So viele ihrer Freundinnen haben dort bereits ihr Leben gelassen. Sie hat dann Tränen in den Augen und kann nicht mehr weiter sprechen.
Alle sind still, respektvoll zueinander, berührt. Einige Minuten lang spricht niemand.
Dann stellt die Lehrerin die Frage: Und worüber seid ihr jetzt froh, in Österreich?
Da sprudelt es begeistert aus den Kindern heraus:
- Hier habe ich eine Chance! Ich möchte studieren!
- So viele Menschen helfen uns!
- Ich möchte arbeiten, möchte auch Österreich etwas zurückgeben mit meiner Arbeit.
- Später will ich mein Land mit aufbauen!
Und am Schluss sagt T:„Ich bin so froh, dass ich hier auf der Straße ganz normal gehen kann, ohne rollende Köpfe auf der Straße...“