Warum ich zuhöre
Wer die Notrufnummer 142 wählt, hat die Möglichkeit, kostenlos rund um die Uhr ein vertrauliches und anonymes Gespräch mit einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Telefonseelsorge OÖ zu führen.
Die ehrenamtlich Tätigen haben in zahlreichen Ausbildungsseminaren erlernt, „anders“ hinzuhören. Ich gehöre auch zu ihnen. Wir sind bemüht alle Menschen, die anrufen, aufmerksam, mitfühlend und stützend in ihren Anliegen zu begleiten.
Wenn ich abhebe, schenkt mir jeder Anrufende einen kurzen Einblick in seine aktuelle Stimmungslage und Verfassung, denn zumeist gibt es etwas zu besprechen, das ihm oder ihr am Herzen liegt – was in gewisser Weise auch einer seelischen Momentaufnahme entspricht. Kein Gespräch gleicht dem anderen. Jedes ist so verschieden wie die Menschen, die anrufen, denn diese bestimmen, was für sie im Augenblick wichtig ist und was nichtig. So finden mich in jedem Dienst sehr unterschiedliche Themen. Häufig geht es um Alltagsbewältigung, Einsamkeit, das Beziehungsleben, Fragen der Kindererziehung, Probleme am Arbeitsplatz, besondere Familienkonstellationen oder Krankheit.
Hier läuft das große und kleine „menschliche“ Programm – niemals Doku-Soap, immer wirkliches und authentisches Menschen-Leben.
Es werden selten amüsante Variationen von Lebensgeschichten erzählt, viel mehr wird aus dem tiefen Meer menschlicher Nöte geschöpft. Jeder von uns wandert im Lauf seines Lebens durch die eine oder andere finstere Schlucht und ist froh, wenn er nicht alleine unterwegs ist.
Darum hebe ich ab und höre zu.
Ich bin bemüht, in jedem Telefonat offen, wertschätzend und unparteiisch zu sein, bin interessiert, gelegentlich auch der Blitzableiter, bin Informationsquelle, manchmal echt verwundert darüber, was es alles gibt, und ich freue mich immer, wenn sich Dialoge entwickeln, wo auch gemeinsam herzlich gelacht wird!
Anrufender und Diensthabender schauen gemeinsam auf die Situation, in der spontan die 142 gewählt wurde, um einen besseren Überblick zu erhalten. Die leisen, wichtigen Zwischentöne, die ein Gespräch färben, wollen ebenfalls gehört werden. Auch das Weinen gehört dazu.
Es ist schön, einen Menschen zu begleiten, für den sich plötzlich eine neue Tür und damit ein neuer Weg auftut. Manches klärt sich und wird leichter, manches bleibt offen, weil eine Lösung im eigentlichen Sinn gar nicht möglich ist. Die Wohltat des Gedankenaustauschs liegt wohl in der schützenden Anonymität und der Möglichkeit rund um die Uhr einen guten Zeitpunkt für sich wählen zu können.
Immer wieder klingen Gespräche eine längere Zeit in mir nach, weil sie mich tief berührt oder sehr nachdenklich gemacht haben. Zuweilen mache ich mich auch nach dem Dienst mit großer Dankbarkeit auf den Heimweg.
Wenn Sie einmal nicht wissen, wohin Sie sich wenden sollen – wählen Sie 142. – Die Telefonseelsorge hebt ab und hört Ihnen zu!