Vom Reden und Hören
Fachleute regen an, dass man in Beziehungen (dazu zähle ich jede Art von Freundschaft, Partnerschaft, Arbeitsbeziehung etc.) REDEN soll. Kommunikation sei das Um und Auf.
Im Alltag nehme ich immer mehr wahr, dass auch das Zu- und Hin-Hören mindestens gleichberechtigt geübt sein will. Manchmal beobachte ich, dass mich mein Gegenüber unterbricht, obwohl ich meinen Gedanken noch nicht zu Ende formuliert habe. Das kann irritieren. Auch an mir selber stelle ich fest, dass ich meinem Du nicht mehr meine volle Aufmerksamkeit schenke, wenn ich im Geiste bereits eine Antwort vorbereite. Ich bin einen Schritt voraus und somit nicht mehr beim anderen.
Ich schätze Menschen, die gut zuhören (können) und mir und dem, was mich beschäftigt, Raum und Zeit zur Verfügung stellen. Das ist wertvoll.
Ich fühle, dass es ein eigenes Zurücktreten braucht, um ein guter Zuhörer zu sein bzw. zu werden. Ich stelle das Eigene in den Hintergrund, bin und bleibe ganz beim anderen.
Kein Interpretieren. Kein Werten. Kein Beurteilen. Keine schnellen Lösungen. Das ist Kunst.
Um ein Künstler dieser Disziplin zu werden, braucht es Übung. Es kann sein, dass ich manchmal scheitere; dass mir mein Kunstwerk nicht ganz so gelingt, wie ich es beabsichtige. Dass ich an manchen Tagen talentierter bin als an anderen.
Doch ich will mich wieder und wieder aufmachen, um mich selber zu verfeinern. Es kann heilsam sein, einmal keine Meinung zu einem Thema/einer Geschichte zu haben. Das befreit.
Ich spanne den Bogen weiter und rege an, das Übungsfeld zuerst an der eigenen Seele zu erproben. Sich selber zuzuhören, ist meines Erachtens unerlässlich für Entwicklung und Entfaltung. Wer hinhört und wahrnimmt, was seine Seele ihm mitzuteilen hat, wird reich beschenkt.
Wer redet, sät;
und wer hört, erntet.
(aus Argentinien)