Grenzgänger
Grenzgänger pendeln von einer Seite einer Grenze auf die andere- z.B. um in einem anderen Land zu arbeiten, als sie leben. Auch im psychischen Sinn gibt es Grenzgänger, die innerhalb ihres Selbst immer wieder über Grenzen gehen, die wir nur schwer begreifen.
Menschen mit Psychosen schildern Dinge, die für uns nicht nachvollziehbar sind. Sie sehen Dinge, hören Stimmen, spüren Gefahren – und schildern uns ihre Bedrängnisse. Manchmal macht uns das Angst – wie weit gehe ich mit in ihre/seine Welt, überschreite meine sicheren Grenzen?
Menschen, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, z.B. dem Borderline-Syndrom, wechseln innerhalb eines Gesprächs mehrmals von einem Gefühlszustand in einen anderen, für sie gibt es häufig nur Schwarz oder Weiß – dazwischen eine scharfe Grenze, die sich dauernd auflöst. Du bist die Beste – und kurz darauf die Schlechteste, die es gibt. Wie viel lasse ich mir gefallen an Beschimpfungen, vielleicht sogar Beleidigungen?
Menschen, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen, stehen an der Grenze zwischen Leben und Tod und wissen in diesem Moment nicht, für welche Seite sie sich entscheiden werden. Ist Suizid die Lösung all ihrer Probleme – oder ist da doch noch etwas, wofür es sich lohnt zu leben?
All diese Menschen sind „Grenzgänger“. Kann ich ihre Nähe zulassen oder muss ich mich davor schützen?
Wo sind meine Grenzen – wieviel halte ich aus, wann sollte ich mich abgrenzen? Was kenne ich aus meinem Leben, was macht mir Angst? Wie achtsam muss ich mit mir und dem anderen sein, damit etwas Berührendes und vielleicht sogar Heilendes entsteht? Oder bringt sie/er mich an die Grenzen meiner Kräfte, meines Verstehens – meiner Empathie?
Grenzen engen ein. Grenzen geben Sicherheit. Wir bewegen uns zwischen diesen Grenzen – versuchen, sie für uns zu wahren, dehnen sie aus, setzen sie neu.