Interview mit Johann*, der sich die „Not von der Seele geschrieben hat.“
In einer Veranstaltung spricht mich ein Mann an, der das Angebot der Mailberatung genutzt hat. Er wollte sich bedanken für die Unterstützung, die er über Monate von der Telefonseelsorge erfahren hat. Zu selten bekommen wir Rückmeldungen zu unserer Arbeit, daher nützte ich dieses „Geschenk“ für ein kurzes Interview.
TelefonSeelsorge-Mitarbeiter: „Johann, was war Ihre Motivation sich an die Mailberatung der Telefonseelsorge zu wenden?“
Johann: „Es war mir nicht möglich über das was mir geschehen ist zu sprechen. Gleichzeitig spürte ich einen ungeheures Bedürfnis, mich mitzuteilen, mich zu entlasten. So tippte ich Taste für Taste mein Leid in die Tastatur und „von mir weg“ und hoffte, jemand ist in der Lage mich zu erfassen. Ich suchte einen Menschen, der mir ein Anker sein konnte.“
TelefonSeelsorge-Mitarbeiter: „Ohnmacht und Zuversicht sind in Ihren Worten spürbar. Wie erlebten sie dieses Wechselbad der Gefühle?“
Johann: „Wenn Du einmal ganz am Boden bist, ist es mit dem Spüren nicht mehr weit her. Ich hantelte mich von einem Tag auf den anderen und rückblickend überwog die Ohnmacht. Zuversicht setzte erst ein, als ich begann mein Leid zu artikulieren. Es war egal, dass es ein anonymes Gegenüber war, oder wenn ich nicht sofort eine Antwort erhielt. Nur schon das Tippen, das Formulieren meiner Not brachte Erleichterung und ließ die Zuversicht wachsen. Ich war froh, dass eine Frau mit sehr viel Verständnis geantwortet hat. Ich weiß nicht, ob im Kontakt mit einem Mann meine Scham nicht zu groß gewesen wäre.“
TelefonSeelsorge-Mitarbeiter: „Zwischen den einzelnen Mails vergingen oft Tage. Wie erlebten sie die Zeit des Wartens?“
Johann: „Das war eine Bereicherung. Die Antworten konnten sich setzen. Vorfreude auf eine Antwort wuchs. Die „Hochs“, die ich oft beim Lesen der Mails an mich erlebte, hielten aufgrund des Wartens auf ein nächstes Mail noch länger an. Ich fand langsam wieder eine Sprache, das Unaussprechliche zu benennen.“
TelefonSeelsorge-Mitarbeiter: „Ich spüre, es fällt ihnen immer noch schwer, das Erlebte anzusprechen. Sind sie immer noch in Kontakt mit der Kollegin?“
Johann: „Nein, nach 12 Mails hatte ich Mut gefasst und habe mich in therapeutische Behandlung begeben. Es wird noch eine Zeit dauern, bis ich gut damit zurecht komme. Aber ich bin auf einem guten Weg.“
TelefonSeelsorge-Mitarbeiter: „Danke für die Rückmeldung!“
*Name geändert