Telefonseelsorge: Online oder Offline?
Als BeraterIn höre ich die Stimme, die mir allein von ihrem Klang, ihrem Charakter und ihrer Lautstärke viel erzählt. Es ist eine intensive Art zu kommunizieren und hat seine ganz eigene Qualität. Das aufmerksame und nicht-wertende Zuhören hat eine heilende Wirkung – ich muss nicht immer eine Antwort parat haben, auch keine Lösung, ich muss nur vollkommen präsent sein, mich einlassen, achtsam und spontan reagieren. Oft bin ich selbst erstaunt über die Wirkung dieser Art des Zuhörens, wenn sich die Anrufende/der Anrufer hörbar erleichtert bedankt, obwohl ich doch nur zugehört habe.
Bei der schriftlichen E-Mail-Beratung ist die Art der Kommunikation eine ganz andere. Da habe ich einen Text vor mir, und kann nicht nachfragen.
Dafür habe ich vielmehr Zeit über meine Wortwahl nachzudenken, kann eigene Gedanken ausführlicher formulieren, habe die Möglichkeit Informationen zu recherchieren. Auch das hat seine ganz eigene Qualität Mir sind Worte sehr wichtig, man kann mit ihnen Herzen berühren. Es ist schön, sich Zeit zu nehmen, um durch Worte Anstöße zu geben, Mut zu machen, einen anderen Blickwinkel einzubringen. Bei der E-Mail-Beratung braucht es auf beiden Seiten Geduld, damit sie wirken kann.
Vielleicht ist sie deshalb auch noch nicht so bekannt und etabliert, in unserer schnelllebigen Zeit, wo ich doch sofort eine Reaktion und eine Antwort bekommen möchte?
Wann passt welche Methode besser?
Wenn ich mein Problem noch gar nicht so klar formulieren kann, ist ein Telefongespräch, in dem nachgefragt werden kann, vielleicht hilfreicher. Oft klären sich die Gedanken, wenn ich sie aussprechen darf, ohne unterbrochen zu werden. Auch wenn es mir um direkte mitfühlende Nähe geht oder ich in einer akuten Krisensituation bin, ist es gut, ein offenes Ohr bei der klassischen Telefonseelsorge zu finden.
Wenn ich mein Problem schon gut kenne und es klar ausdrücken kann, dann bietet sich die E-Mail-Beratung an. Wenn ich neue Sichtweisen, Anregungen, konkrete Hilfestellungen suche, dann kann es hilfreich sein, es aufzuschreiben, auf den Punkt zu bringen und mir eine schriftliche, länger durchdachte Reaktion zu holen. Eine, die ich mir dann auch öfter durchlesen und in mir wirken lassen kann.
Alles hat seine Zeit. Zu sprechen hat seine Zeit und zu schweigen. Zu schreiben hat seine Zeit und zu lesen.