Ein Jahr Corona: Chatberatung der TelefonSeelsorge bietet rasche Hilfe für junge Menschen
Vor allem junge Menschen suchen Hilfe bei der Chatberatung der TelefonSeelsorge – ein Angebot, das aufgrund der großen Nachfrage ausgebaut wurde.
Ziemlich exakt ein Jahr ist es her. Am 11. März 2020 wurde die weltweite Ausbreitung der COVID-19-Erkrankung von der WHO zur Pandemie erklärt. Am 15. März 2020 wurde vom Parlament das COVID-19-Maßnahmengesetz und damit ein bundesweiter Lockdown beschlossen, der mit 16. März 2020 in Kraft trat.
Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142, im Rückblick auf ein Jahr Corona: „Neben steigenden und sinkenden Corona-Fallzahlen war das letzte Jahr auch geprägt von unterschiedlichen Belastungswellen für die Psyche. Angst war bei einem großen Teil der Bevölkerung vor genau einem Jahr eine der vorherrschenden Emotionen. Was folgte, war ein Auf und Ab der Gefühle: Sorge, Wut, Ernüchterung, Einsamkeit, Traurigkeit mit zwischenzeitlichen Phasen der Normalisierung und Entspannung. Und wo stehen wir jetzt? Exakt ein Jahr danach sind wir immer noch mitten in der Krise. Müdigkeit, Erschöpfung, Resignation und Niedergeschlagenheit sind bei vielen an die Stelle der Angst getreten. Die Anstrengungen des vielfach erwähnten ‚Marathons‘ machen sich bemerkbar. Die Batterien sind bei vielen leer.“
Pflegepersonal, MedizinerInnen, LehrerInnen und Eltern haben ein Jahr der Überlastung und Überforderung hinter sich. Arbeitslose Menschen, GastronomInnen und Kunstschaffende haben ein Jahr von Existenzängsten hinter sich. SchülerInnen und Studierende haben ein Jahr fehlender Struktur, sozialer Isolation und mangelnder Perspektiven hinter sich. Breitwieser: „Der Ausnahmezustand scheint zum Normalzustand geworden zu sein.“
Jugendzeit und Pandemie
Die sogenannte „Pandemiemüdigkeit“, die sich schon seit geraumer Zeit bei großen Teilen der Bevölkerung breitmacht, präsentiert sich bei jungen Menschen besonders ausgeprägt; ist es doch gerade für junge Menschen essentiell, selbstbestimmt und aktiv ihr Leben zu gestalten. Fehlen Perspektiven für die Zukunft, so fehlt auch die Motivation, sich zu engagieren. Die Leiterin der TelefonSeelsorge: „Wenn Jugendliche ihre Leichtigkeit verlieren, so gilt es dies unbedingt ernst zu nehmen!“
Im Sofortchat der TelefonSeelsorge suchen vor allem 15- bis 30-Jährige Hilfe über das geschriebene Wort, weil ihnen das Schreiben näherliegt als das Anrufen. „Die Zahlen zeigen, dass seit der Corona-Krise deutlich mehr junge Menschen online Hilfe und Unterstützung bei der TelefonSeelsorge gesucht haben als im Jahr davor. Insgesamt hat sich die Anzahl der geführten Chats im Corona-Jahr mehr als versechsfacht“, erläutert Breitwieser.
Hinsichtlich der Themen gab es ebenfalls einen Wandel: Schule, Ausbildung, Studium oder Job waren viermal so häufig Gegenstand der Beratung wie im Vorjahr. Auch Einsamkeit wurde doppelt so häufig thematisiert.
Ausbau des Chatangebots
Auf die rasch wachsende Nachfrage wurde seitens der TelefonSeelsorge reagiert. Seit 1. März 2021 steht der Sofortchat als Ergänzung zum telefonischen Gesprächsangebot (Notruf 142) täglich von 17.00 bis 22.00 Uhr unter www.onlineberatung-telefonseelsorge.at zur Verfügung.
Wie läuft nun so ein Chat ab? Dazu Doris Bauer, Referentin für Online-Beratung der TelefonSeelsorge: „Der Sofortchat ist aus ganz Österreich kostenlos, anonym und vom eigenen Wohnzimmer aus erreichbar. Ohne Anmeldung kann direkt mit geschulten Beraterinnen und Beratern gechattet werden. Eine spezielle Verschlüsselung gewährleistet Sicherheit und Datenschutz.“ Chatten bedeutet zunächst einmal, sich mit jemandem zu unterhalten. Dabei findet die Unterhaltung online und auf schriftlichem Wege statt. Demnach beginnt die Onlineberatung mit dem Niederschreiben von Belastungen, Sorgen und Problemen.
Chatberatung wirkt!
„Oft bringt das Schreiben über das, was beschäftigt, eine erste Entlastung für junge Menschen. Probleme können sortiert und gemeinsam nach Lösungen gesucht werden“, weiß Bauer. Im Schutz der Anonymität öffnen sich Jugendliche häufig leichter und schneller, sodass auch schambesetzte Themen wie selbstverletzendes Verhalten, Suizidgedanken, Missbrauch oder Suchtproblematiken angesprochen werden. Die Referentin für Online-Beratung: „Die Erfahrung zeigt, dass Beratungen über das Internet trotz der räumlichen Distanz sehr emotional sein können. Paradoxerweise entsteht gerade durch die Niederschwelligkeit der Chatberatung eine oft sehr große Nähe.“