Die Welt im Pausenmodus
Dabei sind gerade Jugendliche sehr intensiv auf den sozialen Austausch und das kulturelle Leben in der Stadt ausgerichtet. Durch den derzeitigen Lockdown leiden sie in der Folge auch stärker am Verlust ihrer sozialen Kontakte und Aktivitäten als Ältere.
Wenn Lebensträume auf Eis liegen
Hinzu kommt, dass in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenleben Lebenspläne und -träume eine sehr große Rolle spielen. Umso bitterer die Erfahrung, dass Pläne von Auslandssemestern, Praktika, Reisen und anderen großen oder kleinen Abenteuern derzeit auf unbestimmte Zeit auf Eis liegen.
Das hinterlässt besonders bei jungen Menschen oft das Gefühl, ihr Leben sei auf „Pausentaste“, Zukunftspläne und Lebensträume zerplatzt.
Worauf hinarbeiten? Wie lange noch warten? Werden wir je wieder normal leben können? Wozu sich überhaupt bemühen?
Die sogenannte Pandemiemüdigkeit präsentiert sich bei jungen Menschen ausgeprägter als bei älteren, denn für Jugendliche und junge Erwachsene ist es essentiell, selbstbestimmt und aktiv ihr Leben gestalten zu können. Fehlen Perspektiven für die Zukunft, so fehlt auch die Motivation, sich zu engagieren.
Wenn die Hoffnung erschöpft ist
Hinzukommt, dass junge Menschen tendenziell noch weniger Krisenerfahrung in ihrem Leben gesammelt haben. Während ältere Menschen in der Regel schon zahlreiche Krisen wie Trennungen oder andere Verlusterfahrungen durchlebt haben, fehlen Jungen oft die notwendigen Bewältigungsressourcen, sowie der Trost und das Wissen um die Vergänglichkeit von Krisen.
Onlineberatung der TelefonSeelsorge
„Wenn Jugendliche ihre Leichtigkeit verlieren, so gilt es dies unbedingt ernst zu nehmen!“
Im Sofortchat der TelefonSeelsorge suchen vor allem 15- bis 30-jährige gerne Hilfe über das geschriebene Wort, weil ihnen das Schreiben näherliegt, als das Anrufen.
- Eine 19jährige Studentin berichtet im Chat enttäuscht davon, dass sie sich ihr erstes Studienjahr so ganz anders vorgestellt hat. Es gibt keine Präsenzlehrveranstaltungen, Studienkolleg*innen hat sie bis jetzt kaum kennengelernt, alle Feiern wurden abgesagt und aus dem Studentenheim sei sie mittlerweile zurück zu ihren Eltern gezogen.
- Ein 25jähriger Mann berichtet von seiner gerade gestarteten beruflichen Selbständigkeit und dem Plan als Freelancer im Ausland zu arbeiten. Die Reisepläne sind erstmals gestrichen. Im Moment muss er schauen, wie er finanziell um die Runden kommt. Die Welt war eben noch voller Möglichkeit, nun schämt er sich dafür, „zu groß“ geträumt zu haben.
- Ein 16jähriges Mädchen berichtet, dass sie sich nachts in den Schlaf weint. Nichts sei mehr wie früher. Sie vermisse ihre Freundinnen und leide darunter, dass ihre Eltern sich zuhause nur mehr streiten.
So oder so ähnlich klingen derzeit die Geschichten, wenn Jugendliche und junge Erwachsene im Chatroom der TelefonSeelsorge über ihre Ängste und Sorgen schreiben. Österreichweit stehen um die hundert professionell ausgebildete Onlineberater*innen helfend zur Seite und wissen um die Sorgen junger Menschen in dieser Zeit:
- Wenn Träume auf Eis liegen, braucht es zwischenmenschliche Wärme, die Hoffnung spendet.
- Wenn die Hoffnung erschöpft ist, braucht es ein zugewandtes Gegenüber, das stellvertretend Zuversicht vermittelt und an die Möglichkeit positiver Veränderung erinnert.
- Wenn die Leichtigkeit Pause macht, braucht es Erholung von der Schwere, Durchatmen und ein gemeinsames Suchen nach kleinen Momenten der Unbeschwertheit.
Oft bringt das Schreiben über das, was beschäftigt, eine erste Entlastung für junge Menschen. Probleme können sortiert und gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Auf der gemeinsamen Entdeckungsreise nach Ressourcen, machen die Onlineberater*innen der TelefonSeelsorge immer wieder die Beobachtung, dass junge Menschen unglaublich viele Fähigkeiten und Talente in sich tragen. Als besondere Stärken der Jugend seien ihre Kreativität, Flexibilität, Offenheit und Energie genannt, mit der sie an Dinge herangehen.
Krisen führen häufig dazu, dass der Zugang zu eigenen Bewältigungsmechanismen verschüttet ist. Dann können Außenstehende wie die Onlineberater*innen der TelefonSeelsorge dabei helfen, den Zugang zu kreativen Lösungsstrategien wieder zu finden. Gelingt es, dass junge Menschen ihre innere Stabilität wiedererlangen, erhöht sich dadurch ihre „Krisenfestigkeit“ und die Gewissheit für zukünftige Krisen: „Auch das wird vorübergehen!“.
Der Sofortchat der TelefonSeelsorge ist täglich von 15-21 Uhr erreichbar, seit Beginn des zweiten Lockdowns mit verstärkten Ressourcen, damit die hohe Anzahl an Chatanfragen bewältigt werden kann. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit der Mailberatung, bei der Anfragen innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden. Beide Angebote können aus ganz Österreich kostenlos, anonym und vom eigenen Wohnzimmer aus erreicht werden. Eine spezielle Verschlüsselung gewährleistet Sicherheit und Datenschutz. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Beratung über das Internet trotz der räumlichen Distanz sehr emotional sein kann, da gerade durch die Anonymität (weder Name noch Bild oder Stimme sind im Chat erkennbar), die Offenheit erleichtert wird.