Lasst uns reden - Suizidprävention in Zeiten von Corona
Die Corona-Pandemie stellt uns alle vor besondere Herausforderungen. Es fehlt die Perspektive. Wann ist sie vorbei? In der Veranstaltung anlässlich des Weltsuizidpräventionstags am 10.09.2020 im OÖ Nachrichten Forum in Linz ging der Referent Dr. Thomas Niederkrotenthaler der Frage nach, welche Menschen hinsichtlich Suizidalität besonders verwundbar und gefährdet seien.
Podiumsdiskussiion mit (v.l): Dr. Claudius Stein, LH-Stv. Mag.a Christine Haberlander, LR Birgit Gerstorfer, Mag.a Petra Pongratz, Dr. David Oberreiter, Mag.a Silvia Breitwieser, Barbara Rohrhofer.
Junge Menschen von 16-29 Jahren vermissten während des Lock-Down besonders ihre Freund*innen. Mehr als 20% gab in einer repräsentativen Studie an, dass sich Suizidgedanken verschlimmert haben.
Laut Dr. Niederkrotenthaler ist generell die Suizidrate von älteren Männern sehr hoch. Eine Erklärung könnte sein, dass diese nicht so gern Hilfe in Anspruch nehmen.
„Jede Kontaktbeziehung ist Suizidprävention“ stellte Dr. Claudius Stein, stellv. Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Suizidprävention, in den Raum. Wenn ein Mensch Andeutungen in Richtung Suizid mache, sei es wichtig, sich als Gegenüber für ihn zur Verfügung zu stellen, genauer nachzufragen und ihm zuzuhören. Wie ein haltendes Gefäß könne jeder so zum „Lebensretter“ werden, indem der Mensch seine unerträglichen Gedanken erzählen kann und Verständnis und Halt in seinem Gegenüber findet. „Bei den meisten Gesprächen tritt dadurch Erleichterung ein“, so Dr. Stein. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist die Schulung von wichtigen „Gatekeepern“, wie Lehrer*innen, Polizist*innen, Seelsorger*innen und natürlich von Berater*innen und Therapeut*innen.
Dr. Claudius Stein, Moderatorin Barbara Rohrhofer
Psychosoziale Hilfe in der Corona-Krise
Wichtig wird es in der kommenden Zeit, Möglichkeiten zur Aufarbeitung zu schaffen.
Bei der Podiumsdiskussion berichtete Frau Mag. Petra Pongratz, Mitarbeiterin des ULF OÖ von ihren Initiativen während der Corona-Pandemie. Es wurden Initiativen zur Nachbarschaftshilfe entwickelt. Menschen, die z.B. für Nachbar*innen einkaufen gingen. Es wurde u.a. ein „Smart home für Senior*innen“ entwickelt, eine App, mit welcher Senior*innen ganz einfach über ihren Fernseher mit Angehörigen per Video telefonieren konnten.
Foto: Dr. David Oberreiter, Mag.a Silvia Breitwieser
Frau Mag. Silvia Breitwieser von der Telefonseelsorge OÖ berichtete, dass gleich zu Beginn der Corona-Pandemie viele Beratungseinrichtungen, u.a auch BEZIEHUNGLEBEN.AT sofort auf Telefon-, Chat und Online-Beratung umgestiegen seien. So fühlten sich Menschen ernst genommen und verstanden und trauten sich auch über schambesetzte Themen reden, eine wichtige Voraussetzung für Suizidprävention.
Foto: LR Birgit Gerstorfer und ULF-Mitarbeiterin Mag.a Petra Pongratz
Frau Landesrätin Birgit Gerstorfer betonte in ihrem Statement, wie wichtig das soziale Netz in Oberösterreich sei und wie sehr auch der gesellschaftliche Diskurs zum Thema Leistungsorientierung eine Rolle hinsichtlich Suizidgefahr spiele. Menschen müssten auch scheitern dürfen in einer Gesellschaft und wissen, dass sie aufgefangen werden.
Foto: Dr. Claudius Stein, LH-Stv. Mag.a Christine Haberlander
Frau LH-Stv. Mag.a Haberlander ergänzte in ihrem Statement, dass junge Menschen in ihrem Leben immer wieder Scheitern erleben würden und im Rahmen des Bildungssystems lernen müssten, damit umzugehen. Ihr sei es im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wichtig, zu verbessern, was das Land bereits aus dem Lock-Down gelernt hat. In Zukunft sollten Krankenhäuser und Ambulanzen offenbleiben, sodass alle Menschen die Versorgung bekommen könnten, die sie benötigten. Auch Schulen sollten offenbleiben, damit Kinder ein paar Stunden am Tag eine gute Bildung und Begleitung in der Schule erfahren können.
Dr. Claudius Stein, LH-Stv. Mag.a Christine Haberlander
Fotos: filmdosis.at
Nachbericht: Mag. Andrea Holzer-Breid, BEZIEHUNGLEBEN.AT
Hier können Sie die Veranstaltung anschauen:
https://www.youtube.com/watch?v=xcxDTWf3eIg
Hier können Sie die Präsentationen der Vortragenden nachlesen: