Über 230 Gäste folgten der Einladung und ließen die TelefonSeelsorge hochleben. Unter ihnen befanden sich neben den zahlreichen aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter*innen auch namhafte Vertreter*innen aus Politik und Kirche, wie etwa Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer und der Superintendent der Evangelischen Kirche in Oberösterreich Dr. Gerold Lehner. Durch den Abend führte Dr.in Christine Haiden, Autorin und Chefredakteurin der christlichen Zeitschrift „Welt der Frau“.
Fragen, zuhören, da sein
Superintendent Dr. Gerold Lehner würdigte in seiner Ansprache die Beratungstätigkeit der derzeit 75 ehrenamtlichen und fünf hauptamtlichen Mitarbeiter*innen.
Er verwies dabei auf das christliche Bild von „Gott, der in sich Dialog und Gespräch ist, einem Gott, der spricht und hört“. Lehner nahm Bezug auf die neutestamentliche Emmaus-Erzählung, in der zwei Jünger nach dem Tod Jesu miteinander unterwegs sind. Lehner: „Sie verlassen den Ort, an dem ihr Leben aus den Fugen geraten ist. So wie es für Menschen eine Katastrophe ist, wenn sie mit einem anderen ein Leben aufbauen, eine Familie gründen, ein Haus bauen, und dann alles einbricht, ihr Leben seinen tragenden Grund verliert – so war es auch für die Jünger. Auf ihrem Weg tritt einer zu ihnen – unerkannt. Er fragt sie, er bleibt stehen, er hört zu.“ Erst im Nachhinein hätten die Jünger erkannt, dass der Auferstandene sie fragend und hörend begleitet und ihnen neue Wege eröffnet habe. Auch TelefonSeelsorge geschehe in diesem Geist, so Lehner.
Der Superintendent wörtlich zu den Mitarbeiter*innen: „Es ist eine unserer tiefsten Sehnsüchte, dass unsere Frage ‚Ist da jemand?‘ nicht ins Leere fällt. Dass da eine menschliche Stimme ist, die sagt: ‚Ich bin da. Ich höre dich.‘ Sie heben den Hörer ab. Sie geben Antwort. In diesem Sinne ist es mir eine große Freude, dass unsere beiden Kirchen sich in diesem gemeinsamen Dienst gefunden haben und dass so viele Menschen durch die Jahrzehnte vermittelt haben: ‚Ich bin da, wenn du mich brauchst.‘“
Vertrauliches Gespräch als entscheidende Hilfestellung
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer hob vor allem die aktuelle gesellschaftliche Situation hervor. „Eigentlich leben wir in relativ guten Zeiten“, so der Landeshauptmann. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren sei die Bildungssituation besser geworden, es gebe weniger Arbeitslose, viele hätten sich ein verlässliches soziales Netzwerk aufgebaut. Und dennoch steige die Zahl von Menschen mit psychischen Problemen. Ein Grund dafür liege vor allem in der digitalen Beschleunigung mit all ihren Folgen. „Wir kommen einfach nicht mehr mit“, betonte Pühringer. Der Erwartungsdruck steige, manche Menschen würden sich die Latte zu hoch legen und Angstgefühle sowie Stresssituationen außer Acht lassen. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen beginne oftmals ein sehr langer Weg. Das vertrauliche Gespräch sei hier oftmals die entscheidende Hilfestellung. Die TelefonSeelsorge leiste einen wertvollen Beitrag, indem die Berater*innen für Menschen in schwierigen Lebenslagen da seien. Laut Pühringer zeige das Jubiläum der TelefonSeelsorge zwei Dinge: dass die Sorgen der Menschen nicht weniger würden, aber auch, dass die Bereitschaft, den Mitmenschen zuzuhören und zu helfen, ebenfalls steige.
„Eine Arbeit, die hohe Anerkennung und Wertschätzung verdient“
Lobende Worte für die TelefonSeelsorge fand auch die amtierende Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer. Sie sprach von einer außergewöhnlichen Leistung der Mitarbeiter*innen und verwies zugleich auf ihre eigenen Erfahrungen als Beraterin. Als ehemalige Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice (AMS), wo sie täglich mehrere Beratungsgespräche mit arbeitslosen Menschen geführt habe, könne sie sich selbst in die Rolle von Telefonberater*innen hineinversetzen und wisse über die Herausforderungen Bescheid. Demnach habe die Arbeit der TelefonSeelsorge hohe Anerkennung und Wertschätzung verdient.
„Welche Umstände befähigen Menschen zu lieben?“
In der anschließenden Podiumsdiskussion stand die Frage „Welche Umstände befähigen Menschen zu lieben?“ im Zentrum. Liebesfähigkeit sei laut Mag.a Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge, das Hauptthema, mit dem die Berater*innen konfrontiert seien. Viele Menschen hätten das Gefühl, sie seien es nicht wert, geliebt zu werden, oder können sich selbst nicht mit einem liebenden Auge betrachten.
Ursachen und Auswirkungen mangelnder Liebesfähigkeit diskutierten Experten wie Priv.-Doz. Dr. Nestor Kapusta (Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin und Individualpsychologischer Analytiker, Wien), Dr.in Margarete Mernyi (Psychologin, Psychotherapeutin und Supervisorin, Wien), Univ.-Prof. Dr. mult. Hilarion Petzold, emeritierter Ordinarius u. a. für Psychologie, Philosophie und Begründer der „Integrativen Therapie“ sowie Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer.